1995 - 2000
Passagen aus diversen Katalogtexten und Einfuehrungsreden gedruckt im Katalog 'Wissensbilder' der Galerie Hohmann, Hamburg, zur Mattern - one man show auf der ART Frankfurt/M. April 2001
... Alle Welt weiss, wir leben im technischen Zeitalter, alle Welt hat in jeder Hinsicht Aussagen gemacht über den Einfluss der Technik und was es da so alles herum gibt. Und dann, wenn wir uns in der Kunstgeschichte umgucken, stellen wir fest, es gibt nicht einen einzigen Maler, der tatsaechlich die technischen Formlogiken für die Erzeugnung seiner Bildaussagen in Anspruch genommen hat....
... so erschließt hier jetzt ein Werk wie das von Mattern mit der Kraft, uns auch auf die historischen Bestände des Konstruktivismus neu zu formieren in den Arten des Denkens, der Vorstellungsentwicklung, die erst durch die Maschinenbaukunst möglich geworden sind, die es vorher gar nicht gab, weil die Formen nicht vorlagen, weil die Formlogiken sich nicht entwickelt hatten. Mit anderen Worten, er erschließt gleichzeitig einen neuen Blick auf uns selbst (nicht nur auf die historischen Bestände) und damit auch einen neuen Blick auf gewisse Aufgabenstellungen, die sich Künstler zumuten können. ...
... das setzt Mattern so um, daß wir jederzeit an technische Formen wie in der Gotik an gotische Formen, im Barock an barocke Formen, Rückschlüsse oder Durchspiegelungen, Durchblendungen, diaphane Öffnungen zur Welt der Gedanken, zur Welt der Konstruktion unserer Erinnerung oder unserer Vorstellung ziehen können, ohne daß wir dabei durch die technische Rationalität eingeschränkt werden oder im Gemüt reduziert werden, sondern das Erstaunliche ist, wir werden sogar noch vitalisiert. Diese Formlogiken sind sehr viel vertrauenswürdiger als wir sie bisher eingeschätzt haben. ...
... Diese Art von technologisch herausgearbeiteter Formlogik öffnet ein mindestens so weites Spektrum wie alle historischen Formlogiken, hat aber zusätzlich noch den Vorteil, daß wir tatsächlich auf die Höhe unserer Zeitgenossenschaft kommen und da wollen wir ja schließlich alle hin.
(KunstHaus Boskamp, Hohenlockstedt, Passagen aus der Einführung in das Werk Matterns durch Bazon Brock am 26.11.1995)
... Wer die Theologie der Gotikzeit nicht kennt, wird durch geometrische Abstraktion die Bedeutung der Bauten kaum herausfinden. Das gleiche gilt für die technischen Konstruktionen unseres Zeitalters. Diesem nicht mehr über die Gestaltwahrnehmung erschließbaren Zustand von Gestalten und Formen gilt das Interesse Matterns. ...
... Einer der wichtigsten Aspekte der Matternschen Arbeit resultiert daraus, Formen nicht mehr als geometrische Einheiten sehen zu können, die in sich geschlossen sind. Wenn er Bestandteile von Produktionsplänen, in denen optimale Materialnutzung beim Ausstanzen von Teilformen geplant wurde, einigen seiner Arbeiten zugrundelegt, bezieht er sich auch nicht mehr nur auf das alte Spiel von Figur und Grund. Die aus-gestanzten Flächen laden nicht mehr nur die übriggebliebenen Bestandteile des Bleches mit der Kippbewegung auf, durch die das eben noch Positive jetzt negativ und die eben noch als bloßer Verschnittabfall gemeinten Blechteile als positiv definierte Formen in Erscheinung treten. Vielmehr verweist er damit auf die Formtypik, die etwa Nikolaus Luhmann mit dem Begriff „Zweiseitenform“ bezeichnet, die aber seit Giottos Zeiten immer wieder die Aufmerksamkeit von Künstlern fand. ...
... Mattern stellt uns die Frage, warum wir diese Logiken immer noch nicht für so bildwürdig halten und für so bewußtseinsprägend wie die Gestaltung von Heiligen und Heroen, von arkadischen Gefilden oder dem ewigen Himmel der Geometrie. Es wird Zeit, uns täglich in Wohnungen und öffentlichen Bauten die Konzepte der Technologien vor Augen zu halten, um zu vermeiden, daß zwischen unseren Kunst- und Bildwelten einerseits und der Erfahrung von tatsächlich wirksamen Kräften unseres Alltagslebens ein immer größerer Abgrund entsteht. Diesen tiefen Graben zwischen anschauungslosen Begriffen und begriffsloser Anschauung der modernen Welt zu überbrücken, helfen Arbeiten Michael Matterns.
(KONSTRUKTIVISMUS HEUTE, Katalog zur Ausstellung im Kreismuseum Prinzeßhof Itzehoe, Passagen aus dem Text von Bazon Brock, 1996)
... Mattern recyclet Vorgaben seiner früheren „Analysen“ und „Kompositionen“, die ihrerseits die Formlogiken verarbeiten, welche den Konstruktionsplänen und Funktionsschemata von Maschinen aller Art zugrunde liegen. Da diese Maschinen unser heutiges Leben mehr bestimmen als Landschaften, Wohnungsinterieurs, Schlachten oder christliche Legenden, versucht Michael Mattern seit zehn Jahren, Formschemata und Funktionslogiken der Maschinen bildwürdig werden zu lassen. In gewissem Umfang recyclet er damit aber auch Konzepte und Werke von Künstlern wie Léger, Seiwert, Hoerle oder Klapheck. Mattern darf behaupten, nicht nur wie seine Vorgänger die Gestalt der Maschinen beseelt, sondern die Gestaltgedanken, die sich in ihnen verkörpern, als Malerei dargestellt zu haben.
(Bazon Brock: Passagen aus Michael Mattern RECYCLING in: Bazon Brock (Hrsg.) Die Macht des Alters - Strategien der Meisterschaft, Köln und Bonn 1998, S.239)
... Jacobo de'Barbari entdeckte die Bildwürdigkeit einer Weltaufsicht von oben ...
... erst Dürers Fähigkeit, den floralen Weltbestand, z.B. als „Rasenstück“ für bildwürdig zu halten, eröffnete neues Wissen über die hausnahe Vegetation ...
... Von kaum jemand wurde diese Veränderung (Bildwürdigkeit der Anatomie des Menschen) derart befördert wie von Leonardo ...
... Erst vor dem Hintergrund der immer wieder gemachten historischen Erfahrung, wie schwierig es war, die Wahrnehmung der Zeitgenossen durch neue Bildwelten auf Wissen zu orientieren und durch dieses Wissen neue Bewertungen auch der Bestände der Alltagswelt zu ermöglichen, vermag man zu würdigen, was Mattern tut. ...
... Warum halten wir nach wie vor Landschaften und Gartenstückchen, die Beseelungswärme von Schwangeren und venezianische Ferienparadiese für bildwürdig, nicht aber jene Artefakte, mit denen wir tagtäglich hantieren und von denen wir in der Ausprägung unserer Lebensformen weitgehend abhängig sind? Wir haben bisher offensichtlich die Bildwürdigkeit dieser Sachverhalte nicht hinreichend nahegelegt bekommen. Wir vermögen als Alltagsmenschen technische Zeichnungen, Organogramme oder Architekturgrund- und -aufrisse kaum zu lesen, also angemessen wahrzunehmen, weil wir nicht gelernt haben, sie als Bildwissen zu verstehen. ...
... Wie es vor der Arbeit der Landschaftsmaler nachweislich nicht einmal den Begriff der Landschaft gegeben hat, so wird es erst mit der sich hoffentlich rasch durchsetzenden Pionierleistung Matterns die Möglichkeit geben, unserer Lebenssituation angemessene Wissensbilder zu entwickeln. Erst diese Bilder aktivieren unser Wissen, anhand dessen wir unsere immer noch eine und gleiche Welt in neuer Weise wahrnehmen können.
(FORMEN UND FUNKTIONEN - Konstruktives von Michael Mattern, Passagen aus dem Text von Bazon Brock 'Bildwürdigkeit' ab S.17, Kataloge der Museen in Schleswig Holstein Nr.48, Itzehoe 2000)
... in Mattern können Sie den Legér unserer Zeit sehen ...
(Bazon Brock anläßlich eines RTV ARTevents in den Deichtorhallen Hamburg, 05.11.1997)
Passagen aus diversen Katalogtexten und Einfuehrungsreden gedruckt im Katalog 'Wissensbilder' der Galerie Hohmann, Hamburg, zur Mattern - one man show auf der ART Frankfurt/M. April 2001
... Alle Welt weiss, wir leben im technischen Zeitalter, alle Welt hat in jeder Hinsicht Aussagen gemacht über den Einfluss der Technik und was es da so alles herum gibt. Und dann, wenn wir uns in der Kunstgeschichte umgucken, stellen wir fest, es gibt nicht einen einzigen Maler, der tatsaechlich die technischen Formlogiken für die Erzeugnung seiner Bildaussagen in Anspruch genommen hat....
... so erschließt hier jetzt ein Werk wie das von Mattern mit der Kraft, uns auch auf die historischen Bestände des Konstruktivismus neu zu formieren in den Arten des Denkens, der Vorstellungsentwicklung, die erst durch die Maschinenbaukunst möglich geworden sind, die es vorher gar nicht gab, weil die Formen nicht vorlagen, weil die Formlogiken sich nicht entwickelt hatten. Mit anderen Worten, er erschließt gleichzeitig einen neuen Blick auf uns selbst (nicht nur auf die historischen Bestände) und damit auch einen neuen Blick auf gewisse Aufgabenstellungen, die sich Künstler zumuten können. ...
... das setzt Mattern so um, daß wir jederzeit an technische Formen wie in der Gotik an gotische Formen, im Barock an barocke Formen, Rückschlüsse oder Durchspiegelungen, Durchblendungen, diaphane Öffnungen zur Welt der Gedanken, zur Welt der Konstruktion unserer Erinnerung oder unserer Vorstellung ziehen können, ohne daß wir dabei durch die technische Rationalität eingeschränkt werden oder im Gemüt reduziert werden, sondern das Erstaunliche ist, wir werden sogar noch vitalisiert. Diese Formlogiken sind sehr viel vertrauenswürdiger als wir sie bisher eingeschätzt haben. ...
... Diese Art von technologisch herausgearbeiteter Formlogik öffnet ein mindestens so weites Spektrum wie alle historischen Formlogiken, hat aber zusätzlich noch den Vorteil, daß wir tatsächlich auf die Höhe unserer Zeitgenossenschaft kommen und da wollen wir ja schließlich alle hin.
(KunstHaus Boskamp, Hohenlockstedt, Passagen aus der Einführung in das Werk Matterns durch Bazon Brock am 26.11.1995)
... Wer die Theologie der Gotikzeit nicht kennt, wird durch geometrische Abstraktion die Bedeutung der Bauten kaum herausfinden. Das gleiche gilt für die technischen Konstruktionen unseres Zeitalters. Diesem nicht mehr über die Gestaltwahrnehmung erschließbaren Zustand von Gestalten und Formen gilt das Interesse Matterns. ...
... Einer der wichtigsten Aspekte der Matternschen Arbeit resultiert daraus, Formen nicht mehr als geometrische Einheiten sehen zu können, die in sich geschlossen sind. Wenn er Bestandteile von Produktionsplänen, in denen optimale Materialnutzung beim Ausstanzen von Teilformen geplant wurde, einigen seiner Arbeiten zugrundelegt, bezieht er sich auch nicht mehr nur auf das alte Spiel von Figur und Grund. Die aus-gestanzten Flächen laden nicht mehr nur die übriggebliebenen Bestandteile des Bleches mit der Kippbewegung auf, durch die das eben noch Positive jetzt negativ und die eben noch als bloßer Verschnittabfall gemeinten Blechteile als positiv definierte Formen in Erscheinung treten. Vielmehr verweist er damit auf die Formtypik, die etwa Nikolaus Luhmann mit dem Begriff „Zweiseitenform“ bezeichnet, die aber seit Giottos Zeiten immer wieder die Aufmerksamkeit von Künstlern fand. ...
... Mattern stellt uns die Frage, warum wir diese Logiken immer noch nicht für so bildwürdig halten und für so bewußtseinsprägend wie die Gestaltung von Heiligen und Heroen, von arkadischen Gefilden oder dem ewigen Himmel der Geometrie. Es wird Zeit, uns täglich in Wohnungen und öffentlichen Bauten die Konzepte der Technologien vor Augen zu halten, um zu vermeiden, daß zwischen unseren Kunst- und Bildwelten einerseits und der Erfahrung von tatsächlich wirksamen Kräften unseres Alltagslebens ein immer größerer Abgrund entsteht. Diesen tiefen Graben zwischen anschauungslosen Begriffen und begriffsloser Anschauung der modernen Welt zu überbrücken, helfen Arbeiten Michael Matterns.
(KONSTRUKTIVISMUS HEUTE, Katalog zur Ausstellung im Kreismuseum Prinzeßhof Itzehoe, Passagen aus dem Text von Bazon Brock, 1996)
... Mattern recyclet Vorgaben seiner früheren „Analysen“ und „Kompositionen“, die ihrerseits die Formlogiken verarbeiten, welche den Konstruktionsplänen und Funktionsschemata von Maschinen aller Art zugrunde liegen. Da diese Maschinen unser heutiges Leben mehr bestimmen als Landschaften, Wohnungsinterieurs, Schlachten oder christliche Legenden, versucht Michael Mattern seit zehn Jahren, Formschemata und Funktionslogiken der Maschinen bildwürdig werden zu lassen. In gewissem Umfang recyclet er damit aber auch Konzepte und Werke von Künstlern wie Léger, Seiwert, Hoerle oder Klapheck. Mattern darf behaupten, nicht nur wie seine Vorgänger die Gestalt der Maschinen beseelt, sondern die Gestaltgedanken, die sich in ihnen verkörpern, als Malerei dargestellt zu haben.
(Bazon Brock: Passagen aus Michael Mattern RECYCLING in: Bazon Brock (Hrsg.) Die Macht des Alters - Strategien der Meisterschaft, Köln und Bonn 1998, S.239)
... Jacobo de'Barbari entdeckte die Bildwürdigkeit einer Weltaufsicht von oben ...
... erst Dürers Fähigkeit, den floralen Weltbestand, z.B. als „Rasenstück“ für bildwürdig zu halten, eröffnete neues Wissen über die hausnahe Vegetation ...
... Von kaum jemand wurde diese Veränderung (Bildwürdigkeit der Anatomie des Menschen) derart befördert wie von Leonardo ...
... Erst vor dem Hintergrund der immer wieder gemachten historischen Erfahrung, wie schwierig es war, die Wahrnehmung der Zeitgenossen durch neue Bildwelten auf Wissen zu orientieren und durch dieses Wissen neue Bewertungen auch der Bestände der Alltagswelt zu ermöglichen, vermag man zu würdigen, was Mattern tut. ...
... Warum halten wir nach wie vor Landschaften und Gartenstückchen, die Beseelungswärme von Schwangeren und venezianische Ferienparadiese für bildwürdig, nicht aber jene Artefakte, mit denen wir tagtäglich hantieren und von denen wir in der Ausprägung unserer Lebensformen weitgehend abhängig sind? Wir haben bisher offensichtlich die Bildwürdigkeit dieser Sachverhalte nicht hinreichend nahegelegt bekommen. Wir vermögen als Alltagsmenschen technische Zeichnungen, Organogramme oder Architekturgrund- und -aufrisse kaum zu lesen, also angemessen wahrzunehmen, weil wir nicht gelernt haben, sie als Bildwissen zu verstehen. ...
... Wie es vor der Arbeit der Landschaftsmaler nachweislich nicht einmal den Begriff der Landschaft gegeben hat, so wird es erst mit der sich hoffentlich rasch durchsetzenden Pionierleistung Matterns die Möglichkeit geben, unserer Lebenssituation angemessene Wissensbilder zu entwickeln. Erst diese Bilder aktivieren unser Wissen, anhand dessen wir unsere immer noch eine und gleiche Welt in neuer Weise wahrnehmen können.
(FORMEN UND FUNKTIONEN - Konstruktives von Michael Mattern, Passagen aus dem Text von Bazon Brock 'Bildwürdigkeit' ab S.17, Kataloge der Museen in Schleswig Holstein Nr.48, Itzehoe 2000)
... in Mattern können Sie den Legér unserer Zeit sehen ...
(Bazon Brock anläßlich eines RTV ARTevents in den Deichtorhallen Hamburg, 05.11.1997)